Die Rückkehrerin
Die vielversprechende Politikwissenschaftlerin Katharina Koch hat sich gegen die große Karriere in Berlin, Brüssel oder New York entschieden – sie bindet sich lieber die Metzgerschürze um. Trotzdem – oder gerade deshalb – arbeitet die junge Fleischerin nun sogar dem Bundeswirtschaftsminister zu.
Katharina Koch ist ein politischer Mensch. Ihr Fleischerbetrieb im nordhessischen Calden ist einer von nur dreien in ganz Deutschland, die klimaneutral arbeiten. Den Anstoß dazu gab ein Straßenfest im benachbarten Kassel, bei dem plötzlich keine Bratwurststände mehr zugelassen waren. Begründung des Ausrichters: Die Fleischproduktion belastet das Klima. Für die 32-jährige Unternehmerin ein persönlicher Affront. Sie wandte sich an eine Agentur, die ihr half, die Landfleischerei Koch als Klimaneutral zu zertifizieren. Das gelang über Energieeinsparungen im Betrieb – und mithilfe von Klimazertifikaten, die sie für Rund 800 Euro dazukaufte. Das war gleich eine der ersten Maßnahmen von Katharina Koch als neue Geschäftsführerin, nachdem sie Anfang 2018 den Familienbetrieb von ihrem Vater übernommen hatte.
Dabei hatte die Metzgerstochter ursprünglich ganz andere Pläne als selbst Mastvieh in Schnitzel und Steaks zu zerlegen. Sie studierte zunächst Politik, Publizistik– und Kommunikationswissenschaft in Berlin und arbeitete nebenbei für einen FDP-Abgeordneten im Bundestag. Für Ihren Master in Politischer Kommunikation zog sie weiter nach Paris an die berühmte Sorbonne. Eine Institution unter den renommierten Universitäten dieser Welt, die nicht nur Physiklegende Marie Curie, sondern auch Staatspräsidenten wie Francois Mitterand hervorgebracht hat.
Eine Karriere auf dem politischen Parkett – ihr großer Traum – schien auch für Katharina Koch machbar. „Ich wollte immer für eine internationale politische Organisation arbeiten“, sagt sie. Erst recht, als sie sich bei den Vereinten Nationen in New York einen der begehrten Praktikumsplätze sicherte. Aber Politik kann auch frustrieren, wie die Hessin erkannte: Endlose Meetings, die Gestaltungskraft oft kleiner als erhofft, die Ergebnisse ernüchternd. „Ich habe im Politikbetrieb nichts gefunden, was mich so erfüllt hätte, dass ich es noch 30 Jahre hätte weitermachen wollen.“ Die Lust dagegen, als Unternehmerin selbst entscheiden und gestalten zu können, wuchs.
Ihr Vater bearbeitete sie schon früh, wollte seine Tochter als Nachfolgerin für seinen Fleischereibetrieb gewinnen. Während des Studiums grübelte und grübelte die Politikwissenschaftlerin über ihre berufliche zukunft. Parallel zog sie allen Zweifeln zum Trotz die akademischen Prüfungen durch, machte in Paris ihren Master. Und traf danach die Entscheidung, die viele überrascht – sie entschied sich für die Rückkehr aufs Dorf. Den einen Moment der Erleuchtung habe es nicht gegeben, erzählt Koch. Aber die ganze Zeit diese tiefe Sehnsucht danach, am Ende eines Arbeitstages etwas Konkretes in Händen zu halten. „Als Handwerker sieht man, was man geschafft hat“, meint sie. Das ist in der Politik nur selten der Fall.
„Mein Herz hängt am Familienbetrieb“, sagt sie zudem. Ohne sie wäre er vermutlich geschlossen worden. Ihre beiden älteren Brüder jedenfalls hatten keine Lust aufs Landleben, sind längst weggezogen und leben heute in Berlin. „Es hätte mir wirklich das Herz gebrochen, wenn der Betrieb nach all den Anstrengungen, die meine Vorfahren hineingesteckt haben, nun am Ende gewesen wäre.“ Die Landfleischerei Koch gibt es seit 140 Jahren, die junge Chefin führt sie nun in der fünften Generation. Katharina Koch wirkt ambitioniert, zupackend; eine geerdete Persönlichkeit, die sich nicht in Träumereien verliert.
Mit Traditionsbewusstsein und einem klimaneutralen Image für ihre Fleischproduktion alleine kann das Unternehmen gleichwohl auch unter einer Katharina Koch nicht überleben, zumal die Zahl der Vegetarier und Veganer ständig wächst. Daher versucht die junge Unternehmerin, den Familienbetrieb ins digitale Zeitalter zu transferieren. Über die sozialen Medien trommelt sie für Wurst und Handwerk gleichermaßen. Imageförderung für einen Berufsstand, der etwas Anerkennung gut gebrauchen kann. Ein dicker Mann mit Hackebeil und blutiger Schürze – so stellt man sich einen Metzger gemeinhin wohl vor. Ein Drittel aller Ausbildungsplätze im Fleischerhandwerk kann nicht besetzt werden, damit zählt der Beruf zu den mit Abstand unbeliebtesten in Deutschland. „Man muss gegen dieses Image ankämpfen“, so Katharina Koch.
Ganz aber lässt die junge Chefin die Politik dann aber doch nicht los. Sie sitzt nun sogar im neuen Mittelstandsbeirat des Bundeswirtschaftsministeriums, berät den deutschen Wirtschaftsminister Peter Altmaier. Vor allem würde sie gerne mehr junge Leute für das Handwerk begeistern, auch Studienabbrecher. Und darüber hinaus noch den hohen Verwaltungsaufwand für kleine Betriebe wie den ihren reduzieren. Die Chancen stehen gar nicht so schlecht, dass der Wirtschaftsminister ihr Gehör schenkt – denn Peter Altmaier gilt als großer Wurstliebhaber.
Text: Sebastian Wolking, Fotos: Michael Löwa