Katharina Koch kehrte New York den Rücken und übernahm die Landfleischerei ihres Vaters in Calden

Momentan ist viel los“, sagt die 33-jährige Katharina Koch. Hier ein Interview, dort ein Termin mit einem Lieferanten. Und sie nimmt sich noch die Zeit, um voller Begeisterung den Wurstehimmel zu zeigen, an dem tausende der für die Landfleischerei Koch typischen Ahlen Würschte hängen. Sie macht die Arbeit hier gerne. Ihr Weg dorthin war allerdings ungewöhnlich.

Frau Koch, Sie haben in Berlin und Paris Politikwissenschaften studiert. Warum dieses Fach?

Wir waren schon immer ein politischer Haushalt und ich fand Politik interessant. Sich gesellschaftlich zu engagieren und vielleicht etwas verändern zu können, ist ein spannendes Feld.

Was hat sie dazu motiviert, 2013 ihre Stelle bei der UN in New York aufzugeben, zurück nach Nordhessen zu kommen und Metzgermeisterin zu werden?

Eigentlich sollten meine beiden Brüder den Traditionsbetrieb der Familie in Calden übernehmen, überlegten es sich allerdings anders. Also fragte mein Vater mich, ob ich nicht zu Hause einsteigen möchte. Und das habe ich nach einiger Überlegung auch getan.

Welche Überlegungen waren das?

Ich habe abgewogen, was mir wichtiger war und versucht mir vorzustellen, wie meine Zukunft unter den unterschiedlichen Voraussetzungen an den unterschiedlichen Orten aussehen würde. Am Ende lief es immer auf dieselbe Frage hinaus: Wo würde ich letztendlich ein glückliches und erfülltes Leben verbringen?

Was hat Calden, was Berlin, Paris und New York nicht haben?

Nirgendwo ist es so schön wie zu Hause, Calden und Nordhessen sind meine Heimat. Als junge Studentin wollte ich möglichst viele neue Eindrücke sammeln, die Welt entdecken. Die Region habe ich erst nach meiner Rückkehr wirklich schätzen gelernt. Nordhessen ist auf seine eigene Art unverwechselbar und einzigartig. Kassel hat die richtige Größe, bietet viel Lebensqualität und alle Vorteile einer Stadt. Und das mit kurzen Wegen.

Worin lag und liegt für Sie der Reiz am Beruf der Metzgerin und an der Führung einer Landfleischerei?

Ich kann als selbstständige Unternehmerin selbst gestalten. Der Beruf ist sehr abwechslungsreich. Jeder Tag ist anders. Der Erfolg meiner Arbeit ist direkt messbar und ich weiß am Ende des Tages, was ich getan habe. Das ist der deutlichste Unterschied zur Politik. Dort arbeitet man sehr lange und intensiv an einem Thema, am Ende sind die Ergebnisse schwer messbar. Hier produziere ich etwas, was Menschen Freude macht, ich stelle Lebensmittel her. Das ist ein schönes Gefühl. Mein Vater und die Generationen davor haben tolle Produkte und ein Unternehmen geschaffen, das ich gerne übernommen habe. Auf dieser Tradition kann ich aufbauen und das Vorhandene weiter ausbauen.

Was heißt für Sie, selbst gestalten zu können?

Im Betrieb und bei Themen, die Personal oder Organisation betreffen, kann ich meine eigenen Vorstellungen unmittelbar einbringen und umsetzen. Außerdem kann ich neue Produkte entwickeln. Natürlich bleiben wir der Tradition ebenso treu wie den alten Rezepten, haben sie aber erweitert. Beispielsweise mit der Produktion von Ahler Wurscht mit Fenchel oder Honig.

Ahle Wurscht liegt Ihnen am Herzen, oder?

Ahle Wurscht ist das typische nordhessische Produkt mit Kultstatus. Sie ist für mich ein Stück unverwechselbare Identität und Heimat. Diese Regionalität, die kleinräumigen Wirtschaftskreisläufe sind mir generell wichtig. Wir schlachten selbst, holen die Schweine von den Bauern vor Ort, die wir seit vielen Jahren kennen.

Befruchten sich die Politikwissenschaftlerin und die Metzgermeisterin gegenseitig?

Absolut. Über Ernährung wird viel diskutiert. Essen ist heute nicht nur zunehmend ein politischer Akt, auch diePolitik selbst beschäftigt sich intensiv mit der Ernährung. Da ist es von Vorteil, politische Prozesse nachvollziehen zu können. Darüber hinaus bin ich selbst auch politisch tätig. Ich engagiere mich im Ehrenamt, hier in Kassel und in Berlin im Mittelstandsbeirat von Wirtschaftsminister Peter Altmaier.

Haben Sie Ihre Rückkehr nach Calden schon mal bedauert?

Nein, ich habe diesen Schritt noch nicht einen Tag bereut.

 

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