Frauen spielten im Betrieb der heutigen Landmetzgerei Koch in Calden noch nie eine unwichtige Rolle. Nicht als Ludwig und Gertrud Koch 1877 die Hausschlachterei samt Lebensmittelverkauf gründeten, und nicht als Adolf und Elisabeth, dann Henry und Margarete den Betrieb übernahmen und auch nicht heute, wo Thomas und Sigrun (natürlich alle Koch) seit 1978 das Sagen haben. Die Koch-Frauen wirkten allerdings mehr im Hintergrund, auch wenn sie alle geschäftlich auf Tradition, Weiterentwicklung und Innovation setzten. Von daher konnte sich, bei aller Fortschrittlichkeit, wohl kaum jemand vorstellen, dass der Betrieb einmal von einer jungen Frau geführt werden würde. Nämlich von Katharina Koch, die nach erfolgreichem  Studium in Paris nun für die Meisterprüfung im Fleischerhandwerk büffelt. Dass sie daher – auch im Hinblick auf die vielen Handwerksbetriebe mit Nachfolgeproblemen – für Vater Thomas der „Sechser im Lotto“ ist, wird wohl niemanden ernsthaft wundern.

Sie hat eigentlich so gar nichts von einer Revoluzzerin, und doch stellt die Juniorchefin der Landfleischerei Koch in Calden die Männerdomäne Metzgerei gerade auf den Kopf. Und das geht so: Katharina ist 27 Jahre alt und das jüngste Kind der Familie Koch. Zwei Brüder waren vor ihr da, hätten die Chance dazu gehabt – und doch ist es nun die zierliche Schwester, die den Familienbetrieb übernehmen wird. Obwohl sie im Nachbarland Frankreich das Studium der Politikwissenschaften
absolviert und erfolgreich mit der Masterprüfung in Paris beendet hat. Doch dann folgte eine geografische Kehrtwende: Sie zog Nordhessen dem internationalen Parkett vor. »Von Paris nach Calden?« Dieser Schritt wurde von vielen Freunden und Bekannten mit ungläubigem Staunen kommentiert.

Das wiederum hat Katharina erstaunt, denn sie hegt große Wertschätzung gegenüber ihrer Heimat, kommt dabei geradezu ins Schwärmen: »Eine wunderschöne Landschaft« sei es, von der sie sich täglich neu begeistern lasse, »dazu die Stadt Kassel, die mit ihrem kulturellen Angebot wirklich alles hat, was man braucht«. Die gleiche Begeisterung vermittelt Katharina Koch, wenn es um das Fleischerhandwerk geht – allerdings nur, wenn es so traditionell ausgeübt wird wie im Caldener Familienbetrieb. Dessen betriebliche Abläufe, mit viel Abwechslung und einer großen Vielfalt von Aufgaben – von Büroarbeit, Tresenverkauf und Kundengesprächen bis hin zu Schlachtbetrieb und Produktion – zudem für immer neue  Herausforderungen sorgen. Nur keine Monotonie!

Allein die natürliche Reifung der 40.000 Würste im legendären „Wilhelmsthaler Wurstehimmel“ erfordert jede Menge Aufmerksamkeit und Einsatz. Mehrmals täglich muss das Wohlergehen der zukünftigen „ahlen Würste“ geprüft werden, müssen die Fenster je nach Witterung geöffnet oder geschlossen werden – natürliche Reifung in altem Lehmgemäuer. Denn die Luftgetrocknete ist ein kulinarisches Sensibelchen, bevor sie als besonders beliebte Deftigkeit endet. Wobei die Entwicklung seit 1877 natürlich einige Erleichterungen mit sich gebracht hat: Allein mit Muskelkraft müssen die Knüppel mit den Würsten nun nicht mehr bewegt werden, dafür gibt es heute einen Aufzug, Rollwagen und eine Maschine zum Abwaschen der  Wurstdärme. Aber das war es denn auch schon mit den Veränderungen. An die kindliche Pflicht, gemeinsam mit den Brüdern die Würste regelmäßig zu baden, erinnert sich Katharina heute noch gern. Als Last hat sie diese Aufgabe nie empfunden.
Arbeit gern zu tun – das scheint ohnehin das Erfolgsgeheimnis der jungen Frau zu sein. Denn ein zweigeteiltes Leben (hier Beruf, da Freizeit) ist nicht ihre Sache. Dann schon lieber das Hobby zum Beruf machen. Fließende Grenzen, selten ein 8-Stunden-Tag, dafür an allen Produktionsschritten teilhaben und auf der Grundlage von Tradition Neues entwickeln, das ist ihre Leidenschaft. Der nächste Schritt, die Meisterprüfung, steht bereits fest und der Blick geht noch weiter in die Zukunft. Vieles kann sie sich vorstellen, zum Beispiel beste Zutaten mit Gästen in einer Eventküche zu verarbeiten. Das Haus dafür steht in der Nachbarschaft, Vater Thomas hat es vorsichtshalber schon mal erworben. Das kleine Fachwerkhaus muss zwar noch entkernt werden, aber der dazu gehörige Kräutergarten entlang einer Mauer ist schon mal angelegt. Als Frau der eher leisen Töne steht Katharina ganz im Gegensatz zum kreativen Temperament ihres umtriebigen Vaters. Der Kulturmetzger mit erfolgreichem Eigenmarketing sprüht vor Ideen, zeigt schon mal vollen Einsatz bei der documenta, der weltweit bedeutendsten Ausstellung für zeitgenössische Kunst, wenn er gewandet als Joseph Beuys mit limitierten documenta-Boxen auf den Kunsthunger der Ausstellungsbesucher setzt. Selbst die Univers ität Oxford würdigte Kochs Einsatz als „Künstler-Metzger“ (EssensArt 3). Schwer vorstellbar, dass Tochter Katharina ihre innovativen Ideen so hinauspoltert wie Vater Thomas. Dass sie diese dennoch genauso zielstrebig umsetzen wird, daran kann es keinen Zweifel geben. Denn Vater und Tochter sind zwei Seiten einer Erfolgsmedaille: Gegenwart und Zukunft der Landfleischerei Koch in Calden. Was sie aneinander haben, das wissen beide.

Die Wurstautomaten der Landfleischerei Koch erobern die Region

Da warf das Caldener Dream-Team, Thomas und Katharina Koch, im März dieses Jahres eine Serviceidee auf den Markt und traf mitten ins Schwarze. Vor ihrer Landfleischerei in Calden hatten die Beiden die Idee vom Wurstautomaten in die Tat umgesetzt, wollten dem Bedürfnis der Kunden nach ausgedehnten Öffnungszeiten Rechnung tragen und sind seither auch an den Wochenenden damit beschäftigt, jede Menge Würste und Steaks nachzulegen. Und das nicht nur in Calden, sondern auch am Gleis 3 im Bahnhof Kassel-Wilhelmshöhe, am Kiosk neben der Goetheanlage in Kassel und an der Agip Tankstelle in Immenhausen. Der Koch’sche Wurstautomat erobert die Region Kassel. Die Suche nach weiteren Standorten
ist längst nicht abgeschlossen. Doch zurück zum Anfang: Fleisch und Wurst in bester Handwerksqualität rundum die Uhr an sieben Tagen in der Woche – das hatte es bisher nicht gegeben. Wer nicht rechtzeitig planen konnte, überraschend
Besuch bekam oder spontan den Grill bestücken wollte, hatte das Nachsehen. „Unse re Kunden kommen aus einem Umkreis bis zu 100 Kilometer „, sagt Katharina Koch. Da kam es schon mal vor, dass die Ladentür beim Eintreffen schon geschlossen war. Abhilfe musste geschaffen werden. Metzgermeister Thomas Koch erinnerte sich an einen Berufskollegen im Harz, der einen solchen Wurstautomaten aufgestellt hatte. Der Kontakt war schnell aufgenommen, ein Automat auf die Koch’schen Wünsche ausgestattet und aufgestellt. Der Erfolg übertraf alle Erwartungen. Am ersten Sonntag musste schon nach dem Frühstück Ware nachgelegt, das Angebot komplett gemacht werden. Auf zwei bis drei Mal hat sich das Nachlegen an Sonn- und Feiertagen eingependelt. Die Kundenresonanz ist riesig. „Und alle Äußerungen sind positiv“, freut sich die Juniorchefin. „Eine tolle Idee“, ist der am meisten gehörte Kommentar. Die vier Wurstautomaten sind gebraucht gekauft. Als Handwerksbetrieb muss man rechnen, ist die lakonische Feststellung von Thomas und Katharina Koch. Beim Servicegedanken lassen die das Rechnen allerdings schon mal außen vor. Wurst und Fleisch aus den Automaten gibt es natürlich zum Ladenpreis. Bei der Automatenidee habe vor allem der Service am Kunden die entscheidende Rolle gespielt, nicht der Gewinn. „Für ein schönes Produkt machen wir auch mal eine aufwändige Verpackung ohne dass es mehr kostet.“ Und die sonntäglichen Wursttouren? Sind sie nicht lästig? Die 27-Jährige antwortet ohne zu zögern mit ihrer Lebensphilosophie „entweder ganz oder gar nicht.“

 

Quelle: EssensArt von Inge Thaetner