Ihre Vita ist beeindruckend: Masterabschluss an der Pariser Sorbonne, Unternehmerfrau im Handwerk 2017, seit diesem Jahr Inhaberin der Landfleischerei Koch und nun frischgebackene Meisterin. Wir haben Katharina Koch zum Interview eingeladen und mit ihr über den Wandel der Zeit, Verantwortung im Handwerk und die Weiterentwicklung des Familienbetriebs gesprochen.

Die Landfleischerei Koch besteht seit über 140 Jahren. Was sind für Sie die gravierendsten Veränderungen der letzten Jahre?

Die Ernährungs- und Einkaufsgewohnheiten der Verbraucher haben sich in den vergangenen Jahren deutlich gewandelt. Die Haushalte sind heute kleiner und die Zeit für den täglichen Einkauf ist knapper. Während es früher vielen vor allem darum ging, große Mengen Fleisch möglichst günstig einzukaufen, achtet man heute mehr darauf, qualitativ hochwertige und gesunde Lebensmittel zu konsumieren. Für uns ist es sehr erfreulich, dass sich die Menschen heute mehr mit ihrer Ernährung auseinandersetzen als noch vor einigen Jahren. Gerade bei tierischen Lebensmitteln möchte der Verbraucher sehr genau wissen, woraus diese bestehen, woher sie stammen und unter welchen Bedingungen sie produziert worden sind. Diesem Wunsch nach Qualität, Transparenz und Nachhaltigkeit können wir als regionaler Handwerksbetrieb sehr gut Rechnung tragen. Zudem reagieren wir mit unserem Onlineshop und Lieferservice auf das Bedürfnis, den Einkauf bequemer und zeitsparender zu gestalten.

Was bedeutet für Sie Verantwortung?

Seitdem ich unseren Betrieb gemeinsam mit meinem Vater leite, ist mir erst vollständig klar geworden, was es tatsächlich bedeutet, Verantwortung zu übernehmen. Unsere Kunden, Lieferanten und Mitarbeiter müssen sich immer auf uns verlassen können und wir dürfen nicht leichtfertig mit ihrem Vertrauen zu uns umgehen. Verantwortung hat in unserem Beruf zudem eine ganz besondere Bedeutung, weil wir Lebensmittel herstellen und mit Tieren arbeiten. Als Lebensmittelunternehmerin habe ich die Pflicht, dem Verbraucher ein qualitativ einwandfreies Produkt zu liefern, das zu einhundert Prozent seinen Vorstellungen entspricht. Schließlich gibt es kaum ein anderes Erzeugnis, das dem Konsumenten so nah kommt wie ein Lebensmittel. Auf der anderen Seite stehen die Tiere, aus denen wir diese Lebensmittel herstellen. Auch ihnen gegenüber tragen wir eine große Verantwortung. Der Umgang mit fühlenden Lebewesen verlangt viel Respekt und besondere Sorgfalt. Dies fängt bei den Haltungsbedingungen an. Es ist mir sehr wichtig, zu wissen, dass unsere Schweine ausreichend Platz im Stall und auf der Wiese haben und sie stets gut versorgt sind. Um diese Gewissheit zu haben, arbeiten wir sehr eng mit unseren Bauern zusammen und halten mittlerweile auch unsere eigenen Tiere.

Was hat sich für Sie nach Ihrer Rückkehr vor vier Jahren verändert?

Obwohl ich den Eindruck habe, jeden Tag noch etwas hinzu zu lernen, kann ich mittlerweile auch auf einige Erfahrungen zurückblicken. Mein Vater hat mir von Anfang an genug Freiraum gegeben, meine eigenen Ideen einzubringen und umzusetzen. Ganz egal ob es sich um bauliche Maßnahmen, das Kreieren neuer Produkte oder um eine Erweiterung der Vertriebswege handelte – ich hatte stets Gelegenheit, etwas Neues auszuprobieren und eigene Erfahrungen zu sammeln. Es ist schön zu sehen, dass sich unser Betrieb in den letzten Jahren weiter entwickelt hat und dass ich etwas dazu beitragen konnte. Die größte Veränderung war sicherlich die Betriebsübernahme Anfang dieses Jahres. Auch wenn in Hinblick auf die täglichen Abläufe keine großen Veränderungen stattgefunden haben und mein Vater mich nach wie vor unterstützt, ist es schon ein anderes Gefühl, nun komplett selbst verantwortlich zu sein.

Wie sieht ein typischer Arbeitstag einer Katharina Koch aus?

Meine Tage beginnen recht früh, zwischen fünf und sechs Uhr. Ich bereite zunächst den Verkaufsraum vor, bearbeite Bestellungen und bediene die ersten Kunden. Wenn es nötig ist, packe ich auch in der Produktion mit an. Außerdem gehören der Versand und alle administrative und organisatorischen Tätigkeiten zu meinen zentralen Aufgaben. Einen wirklich „typischen Arbeitstag“ gibt es aber nicht. Die Arbeit in einer Fleischerei ist sehr abwechslungsreich. Sicherlich wiederholen sich einige Abläufe, aber eigentlich ist kein Tag wie der andere. Genau das liebe ich auch so sehr an meinem Beruf.

Sie sind zunächst einen anderen Weg gegangen, haben studiert, in Berlin, Paris und New York gelebt. Und nun die Nachfolge im heimischen Betrieb in Calden und die Meisterprüfung im Bildungszentrum Kassel. Vermissen Sie die große, weite Welt? Oder profitieren Sie von Ihren Erfahrungen?

Wenn ich noch einmal anfangen könnte, würde ich alles wieder genauso machen. Das Studium und die Auslandsaufenthalte waren eine große Bereicherung für mich. Auch wenn ich jetzt in einer ganz anderen Branche arbeite, bin ich nach wie vor überzeugt davon, dass ich sowohl auf der persönlichen als auch auf der beruflichen Ebene von meiner Ausbildung profitiert habe. Berlin, Paris und New York sind sicherlich spannende Städte, die immer einen Besuch Wert sind. Dennoch habe es nie bereut, zurück nach Kassel gekommen zu sein. Die Stadt hat sich in den vergangenen Jahren wunderbar entwickelt und bietet eine sehr gute Lebensqualität. Nach meiner Rückkehr habe ich unser schönes Nordhessen noch einmal ganz neu für mich entdeckt und ich fühle mich hier sehr wohl. Es ist ja schließlich auch meine Heimat.

2017 sind Sie als „Unternehmerfrau im Handwerk“ ausgezeichnet worden. Was bedeutet Ihnen diese Auszeichnung?

Dieser Preis stellt für mich eine Anerkennung meiner täglichen Leistung dar. Es ist ein schönes Gefühl zu wissen, dass auch andere daran glauben, dass man auf dem richtigen Weg ist. Diese Wertschätzung hat mich sehr motiviert und mir mehr Sicherheit gegeben. Darüber hinaus hat die Jury mit ihrer Entscheidung für eine junge Frau, die noch am Anfang ihrer beruflichen Laufbahn steht auch ein wichtiges Zeichen für das Handwerk im Allgemeinen gesetzt. Der Fortbestand vieler handwerklicher Betriebe ist dadurch gefährdet, dass sich kein Nachfolger finden lässt. Der Preis kann also durchaus auch als eine Ermutigung für junge Menschen gesehen werden, sich einer solchen Herausforderung zu stellen.

Wie sehen Sie Ihre Entwicklung? Wo möchten Sie in zehn Jahren stehen?

Mir ist es ein Anliegen, den traditionellen Charakter unseres Familienunternehmens zu bewahren, es aber gleichzeitig auch zu einer modernen und zukunftsfähigen Fleischerei weiterzuentwickeln. Wir werden uns also auch weiterhin auf die traditionelle Herstellung regionaler Spezialitäten – insbesondere natürlich auf unsere Ahle Wurst – konzentrieren. Dies bedeutet jedoch nicht, dass ein Produkt nicht verbessert werden kann und wir nicht auch auf die veränderten Bedürfnisse der Verbraucher eingehen können. Im Gegenteil, hier liegt gerade die Stärke eines kleinen, inhabergeführten Handwerksbetriebs. Wir sind sehr flexibel und können ziemlich schnell auf individuelle Kundenwünsche eingehen. Abgesehen von unseren Produkten besteht auch in den Bereichen Prozessmanagement, Vertrieb und Kommunikation noch Entwicklungspotenzial. In dieser Hinsicht bietet die Digitalisierung große Chancen. Sie ermöglicht es uns, einerseits die betriebsinternen Abläufe zu optimieren und andererseits näher am Kunden zu sein. Wenn sich der aktuelle Trend in der Fleischbranche fortsetzt, wird in einigen Jahren fast der komplette Markt unter einigen wenigen Herstellern aufgeteilt sein. Ich glaube, dass es auch dann noch Menschen geben wird, die sich hochwertige und außergewöhnliche Produkte wünschen. Auch in zehn Jahren möchte ich also noch zu den Fleischern gehören, die solche besonderen, auf traditionelle und nachhaltige Weise von Hand hergestellten Lebensmittel anbieten.

In Ihrer wenigen Freizeit engagieren Sie sich im Ehrenamt? Warum ist Ihnen das so wichtig?

Es ist ein großes Geschenk, ein Unternehmen von seinen Eltern übernehmen zu dürfen. Auch wenn die Leitung eines Fleischereibetriebes mit viel Arbeit verbunden ist, bringt dieser Beruf gleichzeitig viele Vorteile und Freiheiten mit sich. Mir ist bewusst, dass dies nicht selbstverständlich ist und nicht jeder solche Privilegien genießt. Es ist ein schönes Gefühl, dieses Glück mit anderen Menschen teilen zu können. Nicht zuletzt ist die ehrenamtliche Arbeit auch für mich sehr bereichernd. Denn in diesem Kontext treffe ich viele interessante Menschen und kann durch den Austausch mit ihnen meinen Horizont erweitern. Das ist für mich sehr wertvoll.

Haben Sie Vorbilder?

Zu meinen größten Vorbildern zählt sicherlich mein Vater. Die unerschöpfliche Energie, mit der er unseren Betrieb über vierzig Jahre lang geführt hat, beeindruckt mich sehr. Ich bewundere ihn für sein Fachwissen, seine Kreativität und seine Leidenschaft für unseren Beruf. Wenn ich in vierzig Jahren auf einen ähnlich erfolgreichen Werdegang zurück blicken kann, dann werde ich sehr zufrieden sein.

Wir „beamen“ Sie an einen Ort und Sie bekommen 24 Stunden Freizeit. Wo geht es hin und was würden Sie tun?

Ich liebe Frankreich. Ein kurzer Ausflug in die Provence oder an die Côte d’Azur bereitet mir immer Freude. Auch dort lässt mich mein Beruf nicht völlig los. Wie immer, wenn ich auf Reisen bin, würde ich Fleischereien, Wochenmärkte und Restaurants besuchen und mich von der wunderbaren französischen Küche inspirieren lassen.

Wie schaffen Sie den Ausgleich zu Ihrem beruflichen Alltag? Haben Sie einen Lieblingsplatz in der Region?

Mein Beruf ist so vielseitig, dass ich ihn nur selten als Alltag empfinde. Wenn man für den eigenen Familienbetrieb arbeitet, gibt es keine scharfe Trennung zischen Beruflichem und Privatem. Unserer Familienleben findet seit jeher größtenteils in der Fleischerei statt. Wenn ich dennoch mal eine Auszeit brauche, finde ich diese bei der Jagd rund um die Staatsdomäne Frankenhausen. Diese Momente der Ruhe in der Natur bieten mir die Möglichkeit, mich zu entspannen und mit frischen Ideen neue Projekte angehen zu können.

Wir bedanken uns ganz herzlich für Ihre Zeit und gratulieren noch mal zur bestandenen Meisterprüfung.