Unter den Berufswünschen junger Frauen dürften ein Job auf dem Dorf und ein Alltag zwischen Schweinehälften nicht unbedingt an erster Stelle stehen. Schon eher das Leben in einer pulsierenden Metropole, eine Karriere in der internationalen Politik oder auf dem diplomatischen Parkett. Katharina Koch stand genau diese Perspektive offen. Sie studierte Politik und Kommunikation in Berlin und an der Pariser Sorbonne, arbeitete im Bundestag und bei den Vereinten Nationen in New York. Sie entschied sich gegen die große Politik und die weite Welt, wählte den Beruf der Metzgerin in Calden, wo sie den alteingesessenen Familienbetrieb übernahm. „Denn“, so die 33-Jährige, „hier kann ich gestalten und sehe täglich die Ergebnisse meiner Arbeit.“ Diese beschränkt sich nicht nur auf Organisation, Produktion und Verkauf, vielmehr hat es sich die Fleischer-Meisterin zur Aufgabe gemacht, das Familienunternehmen, dem sie in fünfter Generation vorsteht, fit für die Zukunft zu machen. Eine über 140-jährige Tradition transportiert sie in die Moderne.

Altbewährtes Rezept

Wichtig sind für Katharina Koch dabei die Zutaten des Erfolgsrezepts: Qualität und Tradition. So wird etwa der Klassiker – die Ahle Wurst, als deren Botschafter sich die Landfleischerei sieht – nach altbewährten Rezepten hergestellt. Bei anderen Produkten wird man kreativ: So finden sich im Sortiment unter anderem die Bratwurst mit Gummibärchen oder Ahle-Wurst-Schokolade. Damit greift die Fleischerei aktuelle kulinarische Trends auf – in diesem Fall die Fusionsküche.

Auch beschreitet der Betrieb konsequent den Weg in die Digitalisierung, die nicht nur der Optimierung der internen Abläufe dient, sondern auch die Möglichkeit bietet, kräftig für das Handwerk im Allgemeinen und den Nachwuchs im Besonderen zu trommeln. „Viele Betriebe klagen über Nachwuchssorgen, wir werben aktiv, sind stets auf den Nachwuchs und dessen Förderung bedacht“, unterstreicht Katharina Koch. Dank des Online-Shops, der „digitalen Fleischtheke“, werden die Produkte nicht nur bundesweit, sondern sogar weltweit verschickt. Oft ist die Welt auch zu Gast in Calden – regelmäßig überzeugen sich Besuchergruppen von der Tradition des Fleischerhandwerks bei einer Führung durch den „Wilhelmsthaler Wurstehimmel“, die Lehmkammern auf den Dachböden, wo die Ahlen Würste wie seit Jahrhunderten reifen.

Auch bei anderen Trends gelingt es Katharina Koch, heutige Ansprüche mit der Handwerkstradition zu vereinbaren: „Die Menschen achten heute viel mehr auf ihre Ernährung.“ Da die Landfleischerei im harten Preiskampf der Branche nicht mithalten kann, hat sie sich auf eine Nische spezialisiert: „Wir bieten eine Qualität, die es in der Massenproduktion nicht gibt.“ Die Nachfrage nach qualitativ hochwertigen Produkten werde es immer geben, ist Katharina Koch überzeugt, weshalb die bio-zertifizierte Fleischerei ihre Schlachttiere von ausgewählten Bauern aus der Region bezieht „Regionalität seit über 140 Jahren – das ist unsere Stärke, die es zu nutzen und auszubauen gilt“, betont Katharina Koch. Auch in anderen Bereichen nimmt die Landfleischerei eine Vorreiterrolle ein: Sie ist der erste Fleischereibetrieb in Hessen, der klimaneutral arbeitet, womit er sich als modernes, verantwortungsbewusstes und nachhaltiges Unternehmen präsentiert. Im Zeichen der Nachhaltigkeit steht auch der Plan, zeitnah eine E-Tanksäule vor dem Geschäft zu installieren. Dort können Kunden ihr E-Fahrzeug kostenlos laden. Der Fuhrpark soll ebenfalls um ein E-Auto für den Lieferservice erweitert werden. Mit Maßnahmen wie diesen gelingt es der jungen Chefin, die alteingesessene Fleischerei in die Zukunft zu führen und zugleich der Tradition verbunden zu bleiben.

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